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16.11.2013

Patagonien 2 - Die Hornopirén Traverse 2

Über Nacht ist es kalt geworden, daher sind die Zelte am nächsten Morgen von einer dünnen Eisschicht überzogen. Sonne und Wolken kämpfen noch um die Vorherrschaft, daher bleiben wir länger im Lager als sonst.
Aber gegen 9.30 hat sich die Sonne endgültig durchgesetzt und wir starten in den neuen Morgen. Da ich fürchte bald in der dichten Vegetation völlig durchnässt zu sein, ziehe ich mir Regenhose und wasserdichte Socken an. Bernd hat zwar auch eine Regenhose im Rucksack zieht es aber vor mit seiner in Bolivien gebraucht gekauften Armeehose loszugehen. Tatsächlich ist der Wald auf dem Kamm schon wieder relativ gut getrocknet, so dass auch ich schon bald mein Regenzeug ausziehe.
Hochwald wechselt sich immer wieder mit Gebüschen und kleineren Offenflächen ab. Große Granitblöcke und steile Felswände machen das Terrain ziemlich unübersichtlich. Der Kamm ist keineswegs eben sondern fordert häufige kurze An- und Aufstiege. Obwohl wir nur selten auf die Andeutung eines Pfades treffen kommen wir recht gut voran.


                                                    Weglos auf dem Kamm



Schließlich bleiben die Gebüsche zurück und wir erreichen eine offene Blockzone.
Vor uns liegt ein nach Karte 1620 Meter hoher, namenloser Berg. Das hört sich verglichen mit den Verhältnissen in Europa zwar lächerlich an, aber hier im rauhen Patagonien herrschen in dieser Höhe bereits hochalpine Verhältnisse.
Der direkte Weg über den Kamm führt über ein steiles Schneefeld weiter zum Gipfel des Berges. Wir haben Steigeisen und Eispickel dabei, aber ich fühle mich unsicher bei dem Gedanken das Schneefeld zu begehen.
Im letzten Sommer in den Pyrenäen bin ich zweimal auf einem Schneefeld ausgeglitten und einmal erst nach einer längeren Rutschpartie wieder zum Halten gekommen. Daher habe ich kein rechtes Vertrauen zu meinen leichten Steigeisen mehr. Als ich später die Länge meiner Zacken mit denen von Bernds Steigeisen vergleiche, wird mir klar, dass meine eher weniger für steilen Schnee geeignet sind…
Glücklicherweise eignet sich der Granit hier recht gut zum Klettern, daher beschließen wir das Schneefeld in der Flanke des Berges zu umgehen.
Dabei lassen wir einmal unsere Rucksäcke zurück um die weitere Route zunächst ohne Gepäck zu erkunden. Schließlich sind wir wieder oben und können herrliche Ausblicke in die Bergwelt der Anden genießen.

                                                     Blick über das Traitor Tal


                                    Die schroffe Welt der patagonischen Anden

Manchmal stapfen wir durch den Schnee, sinken jedoch kaum ein. Glücklicherweise müssen wir jetzt auch keine ganz steilen Passagen mehr überwinden.



Immer wieder legen wir eine Rast ein, um Fotos von der herrlichen Bergwelt zu machen.

                                                                 Fantastische Aussichten

Das Wetter ist weiterhin ruhig und stabil, daher beschließen wir unser Nachtlager auf dem Kamm aufzuschlagen. Gegen 18.30 haben wir einen traumhaften Platz gefunden, der uns genügend Platz für das Aufschlagen der Zelte zwischen den Felsblöcken bietet.

                                                   Traumhafter Lagerplatz auf dem Kamm

Wir erkunden noch etwas den weiteren Weg für Morgen und genießen später den traumhaften Sonnenuntergang.

                                           Der Vulkan Osorno im Abendlicht


                                            Nach dem Sonnenuntergang

Wohl selten gibt es hier warme, windstille Abende an denen man die Stimmung des Sonnenuntergangs so wie heute genießen kann.
Ein herrlicher Abend an einem tollen Lagerplatz!
Noch bevor die Sonne am nächsten Morgen hinter dem Horizont auftaucht, werden die umliegenden Schneefelder in ihr Licht getaucht.


                                     Die aufgehende Sonne färbt die Schneehänge


Zunächst können wir mit einigen kleineren Klettereien dem Kamm weiter folgen und erreichen am späten Morgen einen Pass, den wir schon gestern ausmachen konnten.
Der direkte Aufstieg zu einem Gipfel ist für uns nicht machbar, da zu steil. Daher müssen wir versuchen auf dem Nordhang die Steilstelle zu umgehen.
Da keineswegs sicher ist, ob wir einen gangbaren Weg finden können, beschließen wir unsere Rucksäcke zurückzulassen um unsere weitere Route erst einmal zu erkunden.
Die Kletterei über die Granitblöcke am Hang ist zwar nicht schwer, dennoch ist viel Vorausschau erforderlich, um den besten Weg durch das Labyrinth zu finden.
Tief unter uns schimmert der blaue See der Laguna El Cabro.
Schließlich können wir die weitere Route ausmachen, lassen es uns aber nicht nehmen noch bis zu dem 1561 Meter hohen namenlosen Gipfel aufzusteigen, den wir so mühevoll umgangen haben.
Der weitere Kammverlauf sieht so schwierig aus, dass wir beschließen zunächst in ein Tal abzusteigen. Diesem wollen wir dann bis zur Laguna del Este folgen um danach wieder zum Kamm aufzusteigen.
Nach zwei Stunden Erkundung sind wir wieder bei den Rucksäcken und kommen jetzt sehr viel schneller auf der bereits erkundeten Route voran.
Bevor wir einen kleinen Pass erreichen, müssen wir nochmals eine Steilstufe umgehen und gelangen schließlich durch vegetationslose, steile Blockfelder zu dem Kammeinschnitt.
Vor dem endgültigen Abstieg erklimmen wir noch einen Granitgipfel der in der Nähe aufragt. Wieder einmal bewahrheitet sich, dass Aufstiege oft leichter als Abstiege sind, aber ohne Probleme gelangen wir glücklich wieder nach unten.
Auf dieser Reise führe ich erstmals einen Spot Messenger mit, der es uns erlaubt SOS Nachrichten abzusenden, sowie voreingestellte Nachrichten an bis zu
12 e- mail Adressen zu übermitteln.
Obwohl die Distanz zur nächsten Siedlung nicht sehr groß ist, haben wir bereits zur Genüge kennen gelernt wie schwierig das Terrain ist, und wie schwer daher auch eine Rettung im Notfall wäre…
Schon bald tauchen im Tal die ersten Krüppelbuchen wieder auf, es ist heiß und es wimmelt von uns attackierenden Tabanos. Daher bedecken wir Kopf und Körper so gut es geht.
Von oben sah das Tal mit einigen Freiflächen gar nicht schwierig aus. Das sieht jetzt aber anders aus. Schon bald müssen wir uns durch dichte Vegetation kämpfen. Zahlreiche tief eingeschnittene Nebentäler erfordern unsere Kletterkünste, häufig ohne zu sehen wohin wir treten. Die Freiflächen entpuppen sich meist als Sümpfe, es sind aber auch steinige Bereiche dabei.
Immer wieder überprüfe ich mit dem GPS unser Vorankommen um jedesmal wieder festzustellen, dass auch große Anstrengungen uns nur wenig vorwärts bringen.
Der Wald wird zunehmend üppiger und irgendwann stoßen wir auf die ersten Alerces.
Ich bin ziemlich kaputt und freue mich daher um so mehr als wir gegen 18.30 endlich die auf lediglich 750 Metern Höhe gelegene Laguna del Este erreichen. Zu unserer großen Freude gibt es hier sogar einen Kiesstrand am Einlauf eines Baches.


                                                              Laguna del Este

Das Wetter könnte nicht schöner sein und später am Abend verschwinden sogar die lästigen Tabanos.
Bei einem kleinen Spaziergang am Seeufer entdecken wir zwei Magellanspechte in einem trockenen Baum. Die Vögel sind etwa so groß wie europäische Schwarzspechte und tragen wunderschöne feuerrote Kopfhauben.
Bereits um 5.30 wird es wieder hell. Die Temperatur beträgt 8 Grad, und die Feuchtigkeit des Gewässers hat unsere Zelte durchnässt.
Als die Sonne den See erreicht starten wir in den neuen Tag. Ein Stück weit folgen wir dem felsigen Strand, dann geht es steil aufwärts in den Wald hinein. 
Blühende Fuchsien setzen Farbtuper in das Grün des Waldes.

                                                              Fuchsien

Mit der Sonne sind auch unsere Lieblinge, die Tabanos wieder da. Bernd hat noch etwas Muskol aus Kanada dabei, das zumindest eine Zeit lang die Biester davon abhält uns anzugreifen.
Kurzzeitig können wir in das Geröllbett eines Baches ausweichen, wo wir etwas besser vorankommen, aber meist stellt jeder kleine Schritt eine große Anstrengung dar.
Wir erreichen eine steile Felsstufe. Vielleicht könnten wir sie erklettern, aber mit unseren schweren Rucksäcken ist es sicher sinnvoller sie zu umgehen.
Da sich bald weitere Steilwände vor uns erheben, beschließen wir, die Rucksäcke in einer Geröllrinne zurückzulassen um die weitere Route erst einmal zu erkunden.
Immer wieder müssen wir kurze Kletterstrecken in dem steilen Gelände bewältigen. Schließlich gelangen wir zu einem tollen Aussichtspunkt der uns freie Blicke über die Laguna del Este und das Tal durch das wir gestern gelaufen sind gewährt.

                                             Dieses Tal sind wir gestern hinab gewandert

                                      Laguna del Este - ein schwer erreichbares Paradies

Bernd erkundet den Weiterweg noch ein Stück weiter, aber mir scheint, dass das Gelände immer schwieriger wird, und wir wahrscheinlich irgendwann umdrehen müssen. Von der Laguna del Este führt ein Tal lediglich über etwa 6 Kilometer bis zu einer Piste, wie wir auf unserer Karte gesehen haben.
Meiner Meinung nach ist das der ideale Ausstiegspunkt für unsere Hornopirén Tour. Wir haben zwar noch viel Proviant im Rucksack, aber wenn wir weiter laufen würden, wäre der Ausstieg meiner Meinung nach in jedem Fall schwieriger und länger.
Wir haben bis jetzt bereits zur Genüge festgestellt wie langsam und schwierig in diesem Gelände das Vorankommen ist, daher plädiere ich nach Bernds Rückkehr dafür an der Laguna del Este den Rückweg in die Zivilisation anzutreten.
Zwar ist es faszinierend diese weglose Wildnis zu erkunden, aber es reizt mich auch auf der argentinischen Seite der Grenze den großen Nahuel Huapi Nationalpark kennen zu lernen. Bernd war dort vor ein paar Jahren schon einmal und hat mir bereits viel von der interessanten Bergwelt dieses Parks erzählt.
Wir diskutieren in Ruhe unsere Optionen und einigen uns schließlich mit gemischten Gefühlen darauf zur Laguna del Este zurückzukehren um dann Morgen den Rückweg in die Zivilisation anzutreten.
Zurück am See laufen wir das Ufer entlang bis zu unserem letzten Lagerplatz.
Nachdem wir unseren Mittagsimbiss gegessen haben, wandern wir der anderen Seeseite folgend bis zum Beginn des Tales an der Nordspitze der Laguna.
Leider ist das Ufer hier nicht so einfach zu begehen. Wir müssen gigantische Felsblöcke und trockene Bäume überklettern. Häufig ist nur wenig Raum zwischen den überhängenden Ästen der Uferbäume und dem Wasser des Sees.
Nachdem wir an der Nordspitze des Sees unsere Zelte aufgeschlagen haben, suchen wir den Ausfluss des Rio del Este. Zu unserer großen Freude ist das Bachbett trocken, und daher einfach zu begehen. Wir folgen dem Bett ein Stück talabwärts und hören nach einigen hundert Metern lautes Rauschen. Hier strömt der Bach, der bis dahin unterirdisch geflossen ist an die Oberfläche. Ein kurzer Blick in die dichte Ufervegetation in der auch dichte Bambusbestände vorkommen, lässt uns erahnen, dass es morgen kein Zuckerschlecken wird, in dem Tal voran zu kommen…
Aber heute genießen wir erst mal das schöne Wetter mit einem makellosen blauen Himmel am See.
Ich lasse es mir nicht nehmen, ein Bad in dem Gewässer zu nehmen, allerdings ist das Wasser kälter als die angenehmen Außentemperaturen ahnen lassen.
Später gehe ich noch ein Stück im trockenen Bachbett spazieren, und setze mich immer mal wieder hin, um die großartige Umgebung in mich aufzunehmen und vielleicht auch Tiere zu beobachten. Tatsächlich kommt ein drosselartiger Vogel immer mal wieder in meine Nähe.
Auf den warmen Felsen beobachte ich eine Eidechse.
Die ausladenden Kronen der Regenwaldbäume heben sich vor dem strahlend blauen Himmel ab.

                                         Ausladende Kronen der Regenwaldbäume

Wie immer verschwinden die lästigen Tabanos gegen 18 Uhr und wir können dann noch bis es gegen 22 Uhr dunkel wird, einen schönen Abend am See genießen.
Nachdem die Schwalben die über dem See Insekten jagen verschwunden sind, erscheinen die ersten Fledermäuse zur Ablösung.
Morgens liegt der See zunächst klar und still dar. Doch wie aus heiterem Himmel zieht Dunst auf, und verschleiert die Oberfläche des Gewässers.
Das erste Stück Weg im trockenen Bett des Rio del Este kennen wir ja schon. Aber was wird uns danach erwarten? Wir hoffen schon bald auf Kuhpfade zu treffen, da die Laguna ja nur wenige Kilometer von der nächsten Piste entfernt ist.
Auf der Karte schneidet der Fluss nur einige Höhenlinien und es sieht nicht so aus, dass das Tal sich zu einer unbegehbaren Klamm verengen könnte, aber dessen sicher können wir uns natürlich auch nicht sein.
Nun, das Tal ist sicherlich der einfachste Weg zurück in die Zivilisation. Wir haben uns für diese Route entschieden, also bleibt uns nichts weiter als den zähen Kampf mit der fast undurchdringlichen Vegetation aufzunehmen.

                            Noch kommen wir im trockenen Bachbett einfach voran…

Der Wald ist häufig nicht sehr dicht, daher fällt viel Licht auf den Erdboden und bringt einen extrem dichten Unterwuchs aus Bambus und Sträuchern hervor. Das ist kein gemächliches, entspanntes Wandern sondern ein Zerren und Zwängen bei jedem Schritt. Es scheint als wolle der Wald uns und unsere Rucksäcke festhalten, damit wir hierbleiben…
Extrem schwierig sind große Lichtungen die durch das Umstürzen einiger Bäume entstanden sind. Durch den reichlichen Lichtgenus ist an solchen Stellen der Unterwuchs besonders dicht, daher können wir oft die liegenden Baumstämme gar nicht richtig ausmachen. Viel mehr tasten wir uns schrittweise vorwärts.
Ich bin heilfroh über meine beiden Trekkingstöcke, die mir etwas Halt geben und bewundere wie Bernd mit seinem einen selbst gefundenen Wanderstock klar kommt.
Aber es gibt auch die schönen Momente in den alten über und über mit Moos bewachsenen Waldbeständen. Wir können uns kaum an dem an dem üppigen Grün aus dem immer wieder majestätische Baumgiganten ragen, satt sehen.

                                      Fast undurchdringlicher Regenwald

Wenn wir Pause machen überprüfe ich mit dem GPS und der Karte unser Vorankommen. Doch vorher macht Bernd jeweils ein Kreuz auf der Karte wo er glaubt, dass wir uns gerade befinden. Obwohl das dichte Grün kaum Blicke auf die umgebenden Berge frei gibt, anhand derer Position er unseren Standort einschätzen könnte, liegen seine Schätzungen mit den GPS Koordinaten oft erstaunlich dicht beisammen…
Uns wird rasch klar, dass wir die etwa sechs Kilometer im Tal heute nicht bewältigen werden können, falls wir nicht noch auf einen Pfad stoßen.

                                             Pause im grünen Labyrinth

Dann verengt sich das Tal und die Hänge werden steiler. Das beste Vorankommen gewähren häufig noch die vermoosten Baumstämme über die wir Schritt für Schritt balancieren. Unter uns gähnen häufig halb verdeckte Löcher über deren Tiefe wir lieber nicht nachdenken…
Häufig stolpern und stürzen wir…
Immer wieder sind tief eingeschnittene Nebenbäche zu überqueren. Einer von diesen kommt tosend aus einem gigantischen, höhlenartigen Überhang herausgeschossen.
Mühsam umgehen wir eine Steilstufe über die der Rio del Este in einer Kaskade von Wasserfällen herabstürzt.
Ein von der Laguna El Cabro kommender Bach fällt über mehrere hundert Meter in das Haupttal herab.
Glücklicherweise ist es heute meist bedeckt. Daher ist es nicht so heiß und die Tabanos sind weniger aktiv.
Nach einigen Stunden entdecken wir die ersten alten Machetenspuren. Leider entwickeln sie sich nicht zu einem verfolgbaren Pfad….
Einige Male müssen wir die Talseite wechseln oder einen breiten Nebenbach überqueren. Meist gelingt das über Baumstammbrücken balancierend oder von Felsbrocken zu Felsbrocken springend.

                                                  Baumstammbrücke

Dann gelangen wir an einen breiteren Bach, den wir nicht auf diese Weise überqueren können. Ich würde jetzt meine Hose aus- und meine Crocs anziehen um am anderen Ufer trockenen Fußes weiter laufen zu können.
Doch der stoische Bernd zieht weder Hose noch Stiefel aus, sondern läuft einfach durch! Da ich nicht als Weichei dastehen möchte, tue ich es ihm nach, obwohl ich weiß, wie schnell man sich mit nassen Socken Scheuerstellen an den Füßen zufügt.
Dann gelangen wir an einen Felsrutsch. Am Hang kommen wir nicht weiter und nach oben auszuweichen erscheint extrem mühsam und ungewiss.
Also weichen wir zum Fluss aus. Während Bernd seinen Rucksack zurück lässt um eine gangbare Route zu erkunden, stelle ich mit Entsetzen fest, dass ich mein Zelt verloren habe!
Es war seitlich am Rucksack verstaut und ist von mir unbemerkt aus den Schlaufen gerutscht.
Mir ist klar, dass es der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen gleicht, hier das Zelt wieder zu finden. Schon nach wenigen Metern ist es fast unmöglich den zurückgelegten Weg zu rekonstruieren.
Erschwerend kommt hinzu, dass mein Zelt grün ist. Das rotfarbene von Bernd wäre einfacher zu finden…
Als mein Partner zurückkommt wollen wir es natürlich dennoch versuchen. Wir teilen uns und versuchen uns daran zu erinnern wo wir entlang gelaufen sind. Ich denke, dass ich das Zelt bis zu dem Felsrutsch noch bei mir hatte, aber sicher bin ich mir nicht.
Ich habe ungeheures Glück- nach einiger Zeit finde ich die grüne Rolle tatsächlich wieder und verstaue sie nun im Rucksack statt an der Außenseite…
Trotz aller Schwierigkeiten freuen wir uns hier zu sein und die Schönheit des Waldes genießen zu können.
Dann gelangen wir an die große, in unserer Karte verzeichnete Freifläche. Wir hatten gehofft, dass dies eine von Rindern offen gehaltene Lichtung ist.
Leider entpuppt sich der weiße Fleck auf der Karte als Sumpfgebiet! Zunächst werden die Bäume kleiner, aber der Boden ist noch halbwegs fest. Dann merken wir aber, dass wir mitten in einem offenen, tiefen Moor stecken.
Was solls, unsere Füße sind ohnehin schon nass, daher kümmert es uns auch nicht sehr, wenn wir bis über die Knie versacken.
Es gibt hier aber auch tiefere Löcher wie wir bald feststellen…
Diesen Stellen versuchen wir so gut wie möglich auszuweichen.
Schließlich gelangen wir an den Rio del Este. Dieser verzweigt sich hier in der Ebene in viele mäandernde Arme und bildet dadurch den Sumpf.
Ich erkunde ob wir in den Wasserläufen vielleicht einfacher vorwärts kommen. Aber schon nach wenigen Metern wird das Wasser so tief, dass wir nicht mehr im Bachbett laufen können. 

                                                 Rio del Este

Unterdessen hat Bernd die andere Seite des Baches in Augenschein genommen. In dem niedrigen Buschwald dort scheint es einen Pfad zu geben, und es sind sogar geeignete Zeltplätze vorhanden.
Nach etwas Suchen finden wir eine Stelle die offenbar auch schon von anderen Leuten zum Lagern benutzt wurde, wie eine Feuerstelle und alte Machetenspuren zeigen.
Ich nutze die Uferbäume um meine nassen Sachen noch etwas in der Abendsonne trocknen zu lassen.

                                       Der Rio del Este bei unserem Lager

Gestern haben wir schlappe vier Kilometer in neun Stunden bewältigt und hoffen heute besser voran zu kommen.
Allerdings verschwinden die Machetenspuren meist so schnell wieder, wie sie aufgetaucht sind. Relativ gut zu durchquerender Hochwald wechselt sich immer wieder mit extrem mühsam zu durchquerenden Dickichten ab. Insgesamt kommen wir aber doch etwas besser als gestern voran.
Schließlich zeigen sich die ersten Zeichen der Zivilisation: Kuhhaufen- und Pfade.
Bald darauf gelangen wir in eine von den Rindern gestaltete Landschaft aus Buschwerk und offenen Grasflächen.
Kurz danach stoßen wir auf einen deutlichen Pfad, der zu einer offenbar unbewohnten Hütte führt. Von dieser geht es weiter zum Fluss, der hier bereits ca. 50 Meter Breite erreicht hat.
Zwar sind meine Schuhe noch immer etwas feucht, doch diesmal wechsle ich in meine Crocs und gelange ohne Probleme über den Fluss.
Bernd, der ja ein zweites Paar Stiefel in seinem Rucksack trägt, lässt seine Schuhe an.
Wir landen auf einer umzäunten Weide die zunächst eine Sackgasse zu sein scheint.
Doch nach kurzer Suche haben wir einen Pfad entdeckt der oberhalb des Baches weiter führt. Nach der Mündung in den Rio Puelo Chico folgen wir diesem Fluss weiter, meist jedoch ein Stück weit vom Ufer entfernt im Wald.
Zwar ist der Pfad häufig schlammig, aber wir fühlen uns nach der anstrengenden Querfeldeinmarschiererei wie im Wanderparadies.

                                      Auf deutlichem Pfad weiter durch den Regenwald

Nach zwei Stunden gelangen wir an die ersten Bretterhütten und stoßen schließlich auf einen unbefestigten Fahrweg.
                                          Rückkehr in die Zivilisation

Der unberührte Wald liegt jetzt hinter uns. Wir laufen meist durch eine Mischung aus Weiden und Buschland. Ein Waldabschnitt ist mit Wegen durchzogen und wird offenbar zur Holzgewinnung genutzt.
Mehrmals sehen wir zahlreiche Bienenkästen an den verstreuten Holzhütten. Hier treffen wir dann auch wieder auf die ersten Menschen seit Tagen.
Nach ca. 10 Kilometern Fahrwegwanderung erreichen wir eine Asphaltstraße beim Örtchen Puelo Chico. Leider fährt heute kein Bus mehr, erfahren wir von einem jungen Mann.
Während wir auf der Straße nach Puelo weiter laufen, versuchen wir eines der sporadisch vorbei fahrenden Autos anzuhalten, jedoch ohne Erfolg.
Der malerisch verschlafen wirkende Ort liegt am Rio Puelo, der jenseits der Grenze in Argeninien entspringt und hier vor seiner Mündung in den Reloncavi Sund fjordartig verbreitert ist.
Einige Restaurants, Pensionen und Hotels zeigen, dass der Tourismus hier eine gewisse Rolle spielt.
Hinter der Brücke über den Rio Puelo stellen wir uns an den Straßenrand und warten auf eine Mitfahrgelegenheit. Da es schon recht spät ist, rechnen wir uns keine große Chance aus. Was solls, in Sichtweite liegt der Campingplatz des Ortes wo wir zur Not unsere Zelte aufschlagen können.
Aber wir haben Glück, nach zwanzig Minuten hält ein mit Ölfässern beladener Pick- up, und wir können es uns auf der Ladefläche bequem machen.
Dummerweise trage ich nur ein T- Shirt, daher wird es jetzt im Fahrtwind ziemlich frisch…
Glücklicherweise fährt der Wagen auf der unbefestigten Piste nicht sehr schnell. Eine sehr schöne Landschaft aus Fjorden, unberührtem Wald an den Hängen, die von schneebedeckten Bergspitzen überragt werden zieht an uns vorbei.
Dort waren wir zu Fuß unterwegs!
Die verstreuten kleinen Siedlungen mit ihren schönen Holzhäusern sind von grünen Weiden umgeben.
Schließlich beginnt der Asphalt und nach weiteren 30 Kilometern und insgesamt etwa zweieinhalb Stunden Fahrt erreichen wir das Örtchen Ensenada. Obwohl die Sonne scheint, bin ich mittlerweile ziemlich durchgefroren.
Am Ende des Ortes entdecken wir einen Campingplatz wo wir fast direkt am Ufer des großen Sees Lago Llanquihue unsere Zelte aufschlagen.
Wenn wir nicht wüssten, dass wir an einem See sind, könnte man das Gewässer mit seinen hohen Wellen auch für das Meer halten…
Wir freuen uns auf eine warme Dusche, leider tröpfelt das Wasser nur gemächlich vor sich hin…
Als krönenden Abschluss unserer Hornopirén Wanderung wollen wir heute Abend essen gehen. Allerdings sehen die beiden Restaurants des Ortes eher teuer aus. Was soll's, wir lassen uns in einem der Etablissements mit Seeblick nieder.
Es gibt hier Kunstmann Bier, „ nach deutscher Tradition gebraut“
Ansonsten erinnern die Preise auch eher an Deutschland…
Während wir essen, beginnt es heftig zu regnen. Uns wird bewusst, wie viel Glück wir auf unserer Wanderung mit dem Wetter hatten…
Auch am nächsten Morgen regnet es noch, daher müssen wir unsere Zelte im Regen abbauen und gehen dann zur Bushaltestelle.
Die Straße nach Puerto Varas führt durch eine Kulturlandschaft, die auch in Deutschland liegen könnte. Hier steigen wir in einen anderen Bus um, und gelangen bald darauf zurück nach Puerto Montt.
Am Busbahnhof kaufen wir gleich Tickets nach Bariloche, wohin wir morgen fahren wollen.
Anschließend gehen wir zurück zur Pension Uribe, wo wir einen Teil unserer Sachen zurück gelassen hatten.
Heute ist in der Stadt deutlich mehr los, als am Neujahrstag. Bernd gelingt es einen Schneiderladen zu finden, in dem er einen neuen Reißverschluss in seine Jacke einnähen lässt.

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